BOEING 767 Wie eine fliegerische Lebensliebe entsteht – Andi wird zum Boeing – Boy!!

Die LAUDA Air Zentrale am Flughafen Wien, im Vergleich zum AUA Headquarter eine Baracke. Aber schon beim Eintreten spüre ich sofort einen unglaublichen Teamgeist.

Mir wird versichert, wie sehr man sich freut, dass ich gekommen bin und werde in einen kleinen Konferenzraum gebeten. Zwei Kollegen (beide Kapitäne und Fluglehrer) sind schon da und begrüßen mich und gleich darauf kommt auch Niki Lauda dazu. Es wird mir das Konzept der Lauda Air vorgestellt, Ziele und Entwicklungspläne präsentiert. Nach einer Stunde Gespräch, schiebt mir Niki selbst eine dünne Plastikmappe über den Tisch herüber und sagt: „Das ist der Arbeitsvertrag, sie brauchen nur zu unterschreiben.“  Natürlich lege ich jetzt meine Hand auf die Mappe und entgegne meinerseits: „Ich wollte immer schon die B 737 fliegen, gerne – danke.“ Niki zieht die Mappe aber wieder zurück zu sich und erwidert – ich hätte da scheinbar eines nicht so richtig verstanden – das ist ein Vertrag als Copilot auf der Langstrecken B 767 —- Pffffffffff —–

Weihnachten, Ostern und Geburtstag zusammen heute, das habe ich wahrlich nicht erwartet. Von der Fokker 50 auf Boeing 767 – ein Traum – ich unterschreibe sofort.

Schon einen Monat später sitze im Flieger nach Seattle – Boeing hometown. Meine Typenausbildung darf ich mit drei Kollegen im Trainingscenter des Herstellers selbst machen. Zuerst drei Wochen Theorie und Systemtraining (da sind 3 dicke Bücher zu lernen) und dann ruft der Simulator.

Wir vier stopfen uns die Theorie rein, prüfen uns immer wieder gegenseitig und versuchen möglichst optimal zu lernen. Haben auch den erhofften Erfolg, denn wir bestehen alle die Theorieprüfung. Damit werden wir für den Simulator freigegeben. Es wird spannend. Der Lauda – 767 Flottenchef – Cpt. Hans Jörg Stöckl reist persönlich an, um das SIM-Training zu überwachen und auch selbst durchzuführen. Jörg (ich darf ihn so nennen, denn er wurde ein väterlicher Freund) ist ein Pilot und Lehrer der alten Schule. Höchst qualifiziert – immerhin war er Eigentümer der „Montana Air“, die Ende der 70er Jahre nach fulminantem Beginn, von der staatlichen Konkurrenz wieder schlafen geschickt wurde. Aber am SIM kannte er keine Gnade – er führte uns Trainees immer zur maximalen Belastungsspitze – während zur gleichen Zeit bei den bei den großen Fluglinien die Simulator Programme gewaltig entschärft und zum Beispiel Doppelsystemfehlersituationen (z.B.: Hydraulik und Elektrik gleichzeitig) überhaupt nicht mehr trainiert wurden.

Erste SIM Session – der Instruktor, ein erfahrener, etwas über 60 Jahre alter amerikanischer pensionierter Flugkapitän – ups – mein Alter nun – entschuldigt sich fast beim Briefing. Das heutige Programm ist nicht Boeings Vorgabe, aber unser Flottenchef hat verlangt, sofort den „V 1 cut“ zu trainieren.

Heißt:  V1 wird die Entscheidungsgeschwindigkeit genannt, nach deren Erreichen man den Start fortsetzen muss – auch bei Triebwerksausfall – da, ein sicheres Abbremsen und Stehenbleiben des Flugzeuges auf der verbleibenden Pistenlänge nicht mehr möglich ist.

Am Simulator ( übrigens, die Simulatoren sind so gut, dass man nach wenigen Minuten keinen Unterschied zum realen Fliegen mehr wahrnimmt, egal ob Tag, Nacht – gutes oder shit Wetter eingespielt wird) wird ein mittleres Startgewicht eingestellt und wir legen los: Mit 140 Tonnen Startgewicht beschleunigt der Flieger auf der Piste – V1 128 kts (etwa 230 km/h), das linke Triebwerk fällt aus – ziemlich viele rote Anzeigen im Cockpit, und ich trete wie von der Fokker noch gewohnt VOLL in das rechte Seitenruderpedal, um den asymmetrischen Schub auszugleichen und so, beim Abheben das Flugzeug vermeintlich flugfähig zu halten.

Der SIM quietscht und schüttelt – die 767 fliegt, aber ich rolle das Flugzeug dabei nach rechts, fast zum Absturz (das einzige Mal in meinem SIM-Fliegerleben). Der Fluglehrer betätigt die SIM „Freeze“ Taste. Der Simulator stoppt sofort – so erlebe ich kein böses Ende und der psychologische Schaden bleibt begrenzt.

Und jetzt eröffnet mir mein amerikanischer Fluglehrer den Weg zum richtigen BOEING fliegen.

Er erklärt mir das der Hersteller „Pilotenflugzeuge“ baut, die in kritischen Situationen Piloten und Passagiere beschützen – und das heißt bei Triebwerksausfall beim Start: das Seitenruder wird nur soweit verwendet, dass das Flugzeug auf der Piste wieder geradeaus rollt und mit diesem Input wird der Flieger dann von der Startbahn abgehoben.  

c Andreas Zöpfl / luftlandwasser.com

Zweiter Versuch: der Simulator erwacht wieder zum Leben und mit wenigen Tastendrücken an der Lehrerstation steht die 767 wieder in Startposition. Ich schiebe die Schubhebel nach vorne, die Motore drehen zur Startleistung hoch und wir beschleunigen –  „V1“ ist erreicht, diesmal fällt das rechte Triebwerk aus (Überraschung) – und sofort wirkt wieder die Asymmetrie im Schub. Wir drehen nach rechts weg und ich korrigiere mit dem linken Pedal – als das Flugzeug wieder geradeaus rollt erreichen wir auch schon die Abhebegeschwindigkeit (ich bin völlig erstaunt wie wenig Pedalausschlag notwendig ist), ein leichtes Ziehen am Steuerhorn und das riesengroße Flugzeug steigt völlig stabil in den Himmel.

Und genau in diesen Moment fühle ich, das ich mein Ziel gefunden habe.

Die weiteren 40 Simulator Stunden die vorgeschrieben sind, um zur praktischen Typenprüfung zugelassen zu werden, bescheren uns unzählige durchgeschwitzte Hemden, aber mit jeder weiteren gemeisterten Notsituation wächst das Vertrauen in das Flugzeug, aber auch in die eigene Fähigkeit diese Maschine sicher zu operieren.

Nach über einem Monat in den USA ist schließlich die Typenprüfung geschafft und nach einem ausgelassenen gemeinsamen Abendessen fliegen Lehrer, Prüfer und Prüflinge (jetzt fast fertige Copiloten) zurück nach Österreich. Im persönlichen Firmenpostfach wartet auch schon der erste Monatsdienstplan. Ja, die Zeiten von entweder Wien – Linz – Salzburg oder Wien – Graz – Klagenfurt und retour sind tatsächlich vorbei. Im nächsten Monat wird mich meine Arbeit (aber eigentlich war es viel mehr immer meine Leidenschaft) nach Bangkok, Mombasa, die Dominikanische Republik und Colombo auf Sri Lanka bringen.

Nach über 8000 Flugstunden auf der BOEING 767 in denen sie mich auf fast alle Kontinente dieser wunderschönen Welt (nur die Antarktis blieb ausgeklammert) geflogen hat, wurde ich von diesem fantastischen Flugzeug nie im Stich gelassen, was bleibt da anderes übrig, als sich am Ende der Geschichte sich vom ganzen Herzen bei dieser einzigartigen „Flugmaschine“ und den Frauen und Männern zu bedanken die sie, ersonnen, konstruiert und gebaut haben (aber das ist eine andere Geschichte).

Ich verneige mich in Ehrfurcht!!!

www.boeing.com

 

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