Es ist Juli geworden und ich sitze am Vordeck von AURORA.
Die Tourismussaison in Istrien, eigentlich in ganz Kroatien hat voll eingesetzt. Essen gehen ist fast nicht mehr möglich da sich schon um fünf Uhr abends die ersten Schlangen vor den Konobas bilden, um den nächsten freien Tisch zu ergattern. Raussegeln in die wunderschönen Buchten macht auch nicht viel Sinn, denn auch die Charterflotten sind verkauft und damit die Liegeplätze rar geworden – auch der nächtliche Lärmpegel ist durch die Vielzahl an Partyschiffen beachtlich.
So sitze ich eben am Vorschiff in der fast leeren Marina, beobachte die Silbermöwen und bewundere ihren eleganten Flug. Und allmählich kommen Erinnerungen aus der Vergangenheit hoch ….
Zuhause im Gailtal beobachte ich beim Laufen hin und wieder Segelflugzeuge unter den Wolken kreisen, ich fahre zum Flugplatz nach Nötsch und schaue zu – aber der Zeitaufwand von früh bis abends anwesend zu sein für ein paar Stunden fliegen — mit fast 64 Jahren, hat die Zeit einen anderen Stellenwert als früher.
Dann fahre ich nach ziemlich genau fünf Jahren nach Greifenburg zum Fliegercamp wo wir so schöne Zeiten und Flüge erlebt haben, treffe natürlich auch alte Freunde, die auf der Landewiese gerade ihre Starrflügler abbauen. Und sofort drehen sich die Gespräche wieder um Bummerl (Wolken) und Bärte (Aufwindzonen) – es hat sich nichts geändert. Und wieder einmal die Einserfrage: geht es dir nicht ab. Und plötzlich spüre ich es, ja, es geht mir ab – unheimlich ab.
Zuhause dann tiefe Gespräche mit meiner Frau, wieder einmal steht sie hinter und zu mir – Danke Sonja für Alles!
Als nächstes überprüfe ich im Internet die Angebote für gebrauchte Starrflügelhängegleiter und stoße auf einen vier Jahre alten ATOS VQ race der genau so aussieht wie mein „Alter“ und witzig, die Anzeige wurde erst am Vortag geschalten – es gibt keine Zufälle.
Bei einem sehr netten Telefongespräch werden wir uns bald einig und da ein Teil der Vereinbarung eine genaue Überprüfung des Fliegers beim Hersteller ist, brauche ich nur mehr einen Termin bei A-I-R in Halblech, in direkter Nachbarschaft von Schloß Neuschwanstein.
Nach einem Telefonat und einem Mail freitags erfahre ich voller Freude, dass sie mich kommenden Dienstag schon reinschieben. Jetzt wird es fast hektisch, ich hole aus Lienz mein Gurtzeug, hatte ich nicht verkauft und bringe es nach Greifenburg zu Emil (er ist auch da) zur Überprüfung und Rettungsschirm packen, beim Helm gehört das Visier gereinigt und beim Vario (Fluginstrument) neue Batterien eingelegt.
Dienstags fahre ich fast sechs Stunden raus zum Hersteller und bedanke mich bei Felix Rühle dem Konstrukteur und Mastermind hinter A-I-R ATOS dafür, dass er mich nicht vergessen hat. Mein Neuer steht schon abgetucht als Gerippe in der Halle und der Check ist im vollen Gange. Etwas später, dann voll aufgebaut zur Endkontrolle sehe ich dann, was der Hersteller mir schon bestätigt hat – der ATOS ist in einem hervorragenden Gesamtzustand, das Segel ist fast neu, es hat keine zehn Flüge hinter sich.
Um sechs Uhr abends liegt mein neuer Flieger dann geteilt in zwei Hälften auf den Dachträgern am Auto. Ich übernachte aber draußen, da ich mir keine weiteren sechs Stunden Autofahrt mehr antuen will.
Mittwoch, ich fahre nach Greifenburg ins Fliegercamp – mit Flieger diesmal und das fühlt sich wieder sehr gut an. Auf der Landewiese, zum Fliegen ist es schon zu spät, baue ich den ATOS auf, wofür ich früher 22 Minuten brauchte, dauert jetzt knapp eine Stunde, aber ich mache keine Fehler. Sonja kommt nach der Arbeit auch herüber und nach dem Abbauen des Fliegers beginnt das Aufstellen des Zeltes.
I
Donnerstag, schönes Flugwetter vorhergesagt – ATOS aufs Autodach und wir fahren nach fünf Jahren wieder hinauf auf die Emberger Alm, das wohl legendärste Fluggebiet in Österreich. Bei der letzten Kehre bevor es rein ins Almgebiet zum Drachenstartplatz abzweigt, blicke ich kurz runter ins Tal, uff, mehr als tausend Höhenmeter. Man muss dazu wissen, dass bei Arbeiten am Boot im Mast – 13 Höhenmeter – Sonja raufgeht, da ich unter Höhenangst leide.
Beim Aufbau am Startplatz kommt die Routine zurück, ein sehr gutes Gefühl stellt sich ein und große Ruhe, selbst beim Blick von der Rampe ins Tal. Alte Freunde sind auch dabei und ich sehe sehr wohl, wie sie aus der Entfernung auf mich achtgeben. Dann beginnt die Sonne in den Hang hineinzuscheinen und die ersten Aufwindphasen kann man an den Windanzeigern erkennen. Und plötzlich ist das Gefühl wie früher wieder da – ich will raus in die Luft.
Angezogen, dann das Gurtzeug umgeschnallt, jetzt bin ich mit meinem ATOS wieder verbunden. Sonja hilft mir beim Umdrehen und wir gehen zur Startposition auf die Rampe. Eine neue Aufwindphase beginnt sich zu entwickeln, ich spüre den Wind im Gesicht, nehme den Drachen auf und dann vier kraftvolle, beschleunigende Laufschritte und „Dreamteam 2.0.“ hebt ab.
Beim Einsteigen ins Gurtzeug bemerke ich allerdings, dass ich diesmal doch einen kleinen Fehler gemacht habe – habe vergessen die Sicherheitsschließe im Brustbereich zu verriegeln. Nicht gefährlich, da Reißverschluss und Schultergurte tragen, aber ein Fehler eben.
Das Fluggefühl ist sofort wieder da und finde mich über der Emberger Alm einem Pulk von zirka 60 Gleitschirmen gegenüber, die fliegen einen Wettbewerb. So überquere ich das Tal zum nächsten Berg, dem Gaugen und beginne dort mit dem Flugprogramm das ich mir vorgenommen habe. Vollkreise und Richtungswechsel in allen Landeklappenkonfigurationen, Langsam – und Schnellflug. Nach 30 Minuten ist die Höhe abgearbeitet und ich beginne mit der Landung. Auch das Höhengefühl ist wieder da und nach zwei Vollkreisen beginne mit dem Gegenanflug – Quer und Endanflug. Nach sanften Ausschweben setze ich wie immer auf den Landekufen sicher auf. Wir sind tatsächlich zurück!
Der nächste Tag bietet wieder gutes Flugwetter. Diesmal passt alles und ich kann gleich nach dem Start Höhe machen. Dies bemerken auch die Paragleiter die den nächsten Task fliegen und wollen mir nach. Aber Pulk kurbeln (kreisen im Aufwind mit vielen Kollegen) war noch nie das Meine und so quere ich wieder zum nächsten Berg. Bei relativ niedriger Wolkenbasis geht sich aber trotzdem ein schöner Talrundflug mit Weissensee Besichtigung aus. Nach einer Stunde komme ich zur Landung, diesmal probiere auch den Bremsschirm wieder aus – alles bestens.
Beim Abendessen mit Sonja reflektieren wir diese vergangenen Tage und stimmen überein die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben.
A i r b o r n e a g a i n – vielen Dank allen, die daran beteiligt waren !
E
alle pics: c Andreas Zöpfl / luftlandwasser.com